Wenigstens aus Oscar-Sicht geht das Jahr für Deutschland gut los. Mit Die Saat des heiligen Feigenbaums vom iranischen Regisseur Mohammad Rasoulof ist erneut eine deutsche Produktion unter den fünf Nominierten für den besten internationalen Film. September 5, ein Projekt des deutschen Studios Constantin vom Schweizer Regisseur Tim Fehlbaum, ist für das beste Originaldrehbuch nominiert. Edward Bergers Vatikan-Thriller Konklave kann sich sogar Hoffnungen auf den Oscar für den besten Film machen.
Zweimal waren die Nominierungen verschoben worden aufgrund der verheerenden Brände in Los Angeles. Nun traten die beiden Komiker Rachel Sennott und Bowen Yang vor die Kameras. Recht verschlafen, denn erstaunlicherweise werden die Nominierungen schon um 5.30 Uhr Ortszeit verkündet. Vielleicht eine versöhnliche Geste Richtung Europa, wo man sich für die Oscar-Zeremonie eine komplette Nacht um die Ohren schlagen muss.
Zum dritten Mal in Folge ist eine deutsche Produktion für den sogenannten Auslands-Oscar im Rennen, auch das ist erst einmal bemerkenswert. Im vergangenen Jahr war İlker Çatak mit Das Lehrerzimmer nominiert, 2023 hatte Edward Berger mit der Literaturverfilmung Im Westen nichts Neues den Preis gewonnen (und noch drei weitere). Nun tritt Mohammad Rasoulof mit Die Saat des Heiligen Feigenbaums an. Eine nur auf den ersten Blick ungewöhnliche Entscheidung, denn die deutsche Produktionsfirma Run Way Pictures war maßgeblich an dem iranisch-französisch-deutschen Projekt beteiligt. Rasoulof, der seinen Film unter der ständigen Gefahr einer Verhaftung heimlich im Iran gedreht hat, ist im Mai 2024 aus seiner Heimat geflohen und hält sich nun in Deutschland auf.
Die Geschichte spielt während jener Proteste, die im Herbst 2022 unter dem Motto “Frau, Leben, Freiheit” nach dem gewaltsamen Tod der jungen Jina Mahsa Amini im Iran begannen. In Die Saat des Heiligen Feigenbaums spiegeln sich die Konflikte zwischen Staatsgewalt und Protestierenden in einer Familie wider: Der Vater hat endlich die Beförderung zum Revolutionsgericht erhalten – sie fällt jedoch mit dem Beginn der Demonstrationen zusammen. Während er im Sekundentakt Gefängnisstrafen oder Hinrichtungen absegnen muss, geraten seine Töchter zwischen die Fronten und hinterfragen zunehmend das Tun des Vaters. Als dessen Pistole plötzlich verschwindet, eskalieren die Konflikte. Auf die Frage, was ein Oscar für ihn und seine Arbeit bewirken würde, sagte Rasoulof im Gespräch mit ZEIT ONLINE: “Das wird ein Signal sein für Filmemacher überall auf der Welt, dass auch sie ihre Geschichte einem großen Publikum zeigen können.”
So verdient Rasoulofs Nominierung ist, so schwer wird es für den Film sein, sich gegen die bereits mit Preisen überhäufte Konkurrentin Emilia Pérez durchzusetzen: Das Musikdrama des französischen Regisseurs Jacques Audiard hatte in der Kategorie bester internationaler Film bereits einen Golden Globe gewonnen, was stets als Hinweis für den Oscar gilt, und dazu noch den Preis als bester Film in der Golden-Globe-Sparte Musical/Komödie.
Wie erwartet, führt Emilia Pérez in diesem Jahr das Ranking der Nominierungen an: 13 Oscar-Chancen gibt es für die Geschichte um einen mexikanischen Kartellchef, der eine geschlechtsangleichende Operation vornimmt und dann als Frau versucht, seine Familie wieder neu kennenzulernen. Die als beste Hauptdarstellerin nominierte spanische Schauspielerin Karla Sofía Gascón ist die erste trans Frau, die in dieser Kategorie berücksichtigt wurde.
Mit je zehn Nominierungen folgen die Feelgood-Kandidatin Wicked mit Ariana Grande und The Brutalist, ein weiterer Golden-Globe-Gewinner. Regisseur Brady Corbet erzählt von einem fiktiven jüdischen Architekten, gespielt von Adrien Brody, der den Holocaust überlebt hat und in den USA versucht, die Vergangenheit in Bauten für die Zukunft zu bewahren.
Überraschend weit vorn liegt mit insgesamt acht Nominierungen auch Konklave. Edward Bergers Adaption eines Papstwahl-Krimis von Robert Harris ist neben dem besten Film auch für das beste adaptierte Drehbuch (Peter Straughan), den besten Hauptdarsteller (Ralph Fiennes), die beste Nebendarstellerin (Isabella Rossellini) und die beste Filmmusik nominiert. Volker Bertelmann, der vor zwei Jahren den Filmmusik-Oscar für Im Westen nichts Neues gewann, kann sich erneut Hoffnungen machen.