Motivationstrainer sagen immer, man soll mit einer positiven Information in eine Unterhaltung gehen. Daher starte ich heute mit einer guten Nachricht für die 590.000 verbliebenen vierzehn- bis neunundvierzigjährigen Zuschauer, die Heidi Klums Lebenswerk zuletzt noch verfolgt haben. Und die lautet: Die 21. Folge der aktuellen Staffel kann ungehindert pünktlich starten.

Nachdem Foto-Terminator Heidi Klum vergangene Woche zum Entsetzen der GNTM-Fanbasis und der Tourismusagentur Wien Mitfavoritin Katharina spontan eliminiert hatte, gab es berechtigte Befürchtungen, einige Hundert Katharina-Ultras würden sich im Foyer des Pro-Sieben-Sendezentrums in Unterföhring an die Programmcomputer kleben und „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Kathi klaut!“ skandieren, bis der Senderchef die Ausstrahlung der Reststaffel härter cancelt als RTL Stefan Raab.

Hurra. So kann die Woche ungestört mit einem Besuch auf Elton Johns Oscar-Party beginnen, auf der sich sonst nur Megastars wie Ariane Grande oder Paris Jackson die Champagnerflöten in die Hand geben. Um das Blitzlichtgewitter auf dem Red Carpet ausreichend posinggebrieft absolvieren zu können, ist extra der ungekrönte König der Berliner Fashion Week nach Los Angeles gereist: Kilian Kerner. Er gibt ein kurzes Paparazzi-Tutorial und plaudert dabei uneitel aus dem sogenannten Nähkästchen. Seiner Beichte „Als ich das erste Mal auf den roten Teppich gegangen bin, habe ich alles falsch gemacht!“ lässt er als Bonus noch ein hoch motivatorisches „Die Fotografen nehmen immer das schlechteste Foto von dir!“ folgen.

Kilian Kerner hat aus seinen Erfahrungen gelernt

Kilian Kerner hat aus seinem Posing-Fauxpas gelernt. Ich hatte selbst schon Shootings mit Kilian Kerner und kann zweifelsfrei feststellen, dass es durchaus exzellente Bilder von ihm gibt. Auf den Roter-Teppich-Schnappschüssen aus der Frühphase seiner Karriere, die er aus dem üppigen Repertoire der einschlägigen VIP-Fotoagenturen mitgebracht hat, sieht er aber tatsächlich aus wie ein zwölfjähriger Kleinstadt-Skaterboy, der zum ersten Mal heimlich die Minibar der Eltern geleert hat und jetzt übermotiviert ein paar Posen der Backstreet Boys nachstellt.

Kerner ist kein Mann der großen Worte und hält den Verbalball bei den Einzelkritiken eher flach. Exemplarisch dafür vielleicht sein, naja, Dialog mit Lernkurvenmodel Aaliyah:

Aaliyah: „Ist das gut?“

Kerner: „Nein!“

Jannik und Canel sind da bereits im Freudentaumel, denn als Belohnung für ihre Topperformance während der Dragqueen-Episode der vergangenen Woche sind sie es, die Heidi Klum als ihre beiden Partybegleiter auswählt. Canel kann Freudentränen kaum verbergen: „Das kann man sich nicht kaufen!“ Ja, okay, eigentlich handelt es sich bei Elton Johns Oscar-Party traditionell um ein Charityevent für seine „Elton John AIDS Foundation“, insofern besteht der gesamte Sinn der Veranstaltung letztendlich darin, dass man sich die Teilnahme kaufen kann, aber Schwamm drüber. Canel ist vermutlich noch ein wenig im kognitiven Ausnahmezustand, weil Kilian Kerner ihr gerade das extra für den Abend auf den Leib geschneiderte Traumkleid schenkt und sich damit der Versicherungswert ihres Kleiderschrankes um etwa 7000 Prozent erhöht.

Kerner zeigt sich aber nicht nur spendabel, sondern auch emphatisch, und versucht mit einem nonchalanten „Die ganze Welt schaut auf euch!“ unnötigen Druck von den beiden zu nehmen. Aha, die ganze Welt, denkt man kurz – aber nicht Ulf Poschardt, oder? Wobei, der hätte vermutlich den Gesichtsausdruck von Heidi Klum geteilt, als Canel später am Abend auf der Oscar-Party einräumt, sie hätte noch nie in ihrem Leben Kaviar gegessen. Da entgleiten Klum die Gesichtszüge für einige Millisekunden zu einem klassischen „Deine Armut kotzt mich an“-Moment, als hätte Canel gesagt: „Ich habe noch nie eine Hose besessen!“

Zeit zum Ausschlafen hat die Partycrew anschließend aber nicht, denn schon am frühen Morgen geht es direkt weiter mit einem Shooting, für das alle Kandidaten zunächst eine Reihe Fake-Tattoos auf die Haut gesprayt bekommen. Und das geht mit allerlei Opfern einher: „Alle Haare unterhalb des Kinns müssen weg!“ Jannik, gerade frisch von Elton John zurück, friert offenbar schnell an den Oberschenkeln und fragt leicht panisch: „Müssen die Männer sich auch die Beine rasieren?“ Tja. Ein antifeministisches Dilemma. Dass alle Mädchen selbstverständlich bereits automatisch rasierte Beine haben, davon geht man in der GNTM-Welt offenbar zweifelsfrei aus.

„Es kann nur ein Nacktshooting sein“

Pragmatischer geht Kandidat Pierre an die Barbier-Aufgabe: „Es kann nur ein Nacktshooting sein, warum sollten wir uns sonst den Arsch rasieren?“ Und als Bonus gewährt er zusätzlich gleich noch einen Blick in seine körperbehaarungsmotivierte Gefühlswelt: „Dass ich am Arsch Haarwuchs habe, aber im Gesicht nicht, was ist denn das für eine Genetik, die ich bekommen habe?“ Nun, ich bin keine DNA-Expertin, aber um diese Frage zu beantworten, müsste man zunächst polygenetisch ausschließen, dass sich der Familienstammbaum von Pierre mal mit dem eines Monchhichis gekreuzt hat. Pierre lässt das kalt. Er freut sich auf hüllenlosen Fotospaß: „Ich spekuliere, dass ich nackt sein werde!“ Ein Satz, den ich auch oft in mein Tagebuch geschrieben habe, als ich 15 Jahre alt war und am nächsten Tag ein Date hatte.

Ganz andere Probleme haben derweil Ray und Kevin, die nach unterdurchschnittlichen Leistungen als Dragqueens heute im Shootout gegeneinander antreten müssen. Ray sieht sich dabei wettberwerbscharakterlich im Nachteil: „Kevin geht über Leichen!“ Das ist insofern interessant, als dass bei GNTM normalerweise keine Konkurrenten, sondern nur die Würde der Kandidaten ihr Leben lassen muss. Aber auch Zoe sieht dem Shooting mit gemischten Gefühlen entgegen: „Warum liegt da Babyöl? Was für Schweinesachen passieren hier heute?“

Zufällig kann ich das aufklären. Es gibt ein Nacktshooting, bei dem die Kandidaten nach einigen eindringlichen Appellen diverser Tierschutzorganisationen in den vergangenen Jahren heute nicht auf Pferden, sondern auf Motorrädern posieren. Bei fünf Grad Außentemperatur gibt es zu jeder gelungenen Pose vor der Kamera von Starfotograf Brian Bowen Smith gratis eine Nierenbeckenentzündung dazu. Mit „Schweinesachen“ liegt Zoe aber dennoch nicht falsch. Nackt auf alten Harley-Davidsons, das liegt gefährlich nah an einer Pornoversion von „Easy Rider“.

Als das Onlyfans-Trainingslager beginnt, zeigt Klum sich vor allem von Daniela beeindruckt. Sie hat offenbar große Chancen auf eine Karriere im Straßenbau: „Du hast deine Kurven angeboten!“ Tatsächlich könnte man das Nacktbild der Stuttgarter Blondinenhoffnung sofort in einem beliebten Kalender abdrucken. Gut, nicht unbedingt in einem von Pirelli, aber zum Beispiel in dem vom Autohaus Wülbeck Ostfildern. Das Shootout gewinnt dann übrigens Kevin. Der freut sich auf seine eigene Art: „Ray war zu versteift!“ Das wird bei Nacktshootings natürlich gnadenlos bestraft, denn GNTM läuft zur Primetime und muss daher auf FSK 12 optimiert sein.

Magda und Zoe rekeln sich an der Harley

Als alle Jungs durch sind, also auch mit dem Shooting, vergibt Kilian Kerner, den Heidi Klum konsequent „Kill Jan Kerner“ nennt, noch kurz eine Auswahl: Arschhaar-Avenger Pierre wird das Gesicht seiner neusten Social-Media-Kampagne. Im Fortlauf des Shootings rekeln sich dann Magda und Zoe so sexy, nackt und verführerisch an der Harley, dass sich ein Großteil der männlichen Zuschauer im heimischen Wohnzimmer plötzlich inständig wünscht, das Motorrad zu sein. Am Ende wird übrigens das Bäbyöl nicht verwendet. Man muss kein Physik-Nobelpreisträger sein, um zu ahnen, warum. Hätte man die Kandidaten auch noch mit Öl eingerieben, wären sie im Minutentakt vom Ledersitz des Motorrads in den kalten Sand der kalifornischen Wüste geglitten.

Für den Final Walk am Folgetag kündigt Klum dann die Zwillinge Dean und Dan an. Sofort steht die Frage im Raum: Haben Tarkan und Luka aus der letzten Staffel schon wieder neue Namen? Falls ja, dann sind sie im Jahr nach ihrem GNTM-Triumph aber schlechter gealtert als die Regierungsträume von Christian Lindner. Oder sind das etwa die Beauty-Docs Dr. Rick und Dr. Nick, die sich per Face-App 30 Jahre älter gemacht haben? Nein, es ist das kanadische Zwillingsduo, das 1994 das Fashionlabel Dsquared2 gegründet hat. Die passend zum Nacktshooting leicht anrüchigen Outfits gefallen vor allem Canel: „Das ist ein bisschen wie Bondage, ich fühle mich geil und sexy!“ Dummerweise haben Dan und Dean keine Spendierhosen von Kilian Kerner an. Canel darf ihren „50 Shades of Grey“-Gedächtnisfummel daher leider nicht behalten.

Klar wird darüber hinaus: Der Pro-Sieben-Bildregisseur scheint seit einigen Wochen eine besondere Beziehung zum Hintern von Zoe entwickelt zu haben. Zoes meist nur äußerst spärlich bedeckte Rückansicht hat inzwischen deutlich mehr Screentime als Eliob und Magdalena zusammen. Nach der normalen Dynamik der reichweitenökonomisch gesteuerten Denkweise deutscher TV-Redaktionen wird Zoes Po kommenden Januar mit ziemlicher Sicherheit im RTL-Dschungelcamp auftauchen.

Trotz Bondage-Kleid und Sexyness-Anfall punktet Canel mit ihrem Runway-Auftritt nur unzureichend: „Beim Shooting hattest du die Handbremse angezogen!“ Eine dramatische Fehleinschätzung. Das Gegenteil ist der Fall: Die Problematik lag wohl eher daran, dass Canel im Prinzip gar nichts angezogen hatte. Noch nackter absolviert nur noch Josy den Catwalk. Also, nackt jetzt im Sinne von Leistungsmisere. Nach durchschnittlichem Shooting und unterdurchschnittlichem Laufstegauftritt streicht Heidi Klum ihr das GNTM-Visum und schickt sie neben Shootout-Duellverlierer Ray zurück nach Deutschland. Wie sich die verbliebene Top Ten schlägt, das verrate ich hier am kommenden Freitag. Bis dann!