An diesem Donnerstag ist es soweit – endlich wieder Echo-Verleihung in den Messehallen unter dem Funkturm! Für mich stets ein Höhepunkt des popmusikalischen Jahres, gerade auch wegen der verlässlich sich wiederholenden Dramaturgie: Erst sieht man sich vier Stunden lang auf sehr engen Stühlen in einem überhitzten Fernsehstudio an, wie Helene Fischer singt, tanzt, moderiert, durch brennende Reifen springt und abwechselnd Echo-Trophäen übergibt und entgegennimmt; danach erholt man sich, umso dankbarer für die Erlösung, bei guten Gesprächen mit interessanten Menschen aus der Musikindustrie von der Erfahrung.
So war es jedenfalls in den vergangenen Jahren. In diesem Jahr wird vieles anders, denn Helene Fischer moderiert gar nicht den Echo, auch will sie nicht singen und tanzen, und statt wie üblich in einem Dutzend Kategorien ist sie mit ihrem aktuellen Werk „Weihnachten“ nur für zwei Trophäen nominiert, als bestes „Crossover“ und „Album des Jahres“. Und das, obwohl sich ihr 2013 erschienenes „Farbenspiel“ auch 2015 noch besser verkaufte als jedes andere Schlageralbum. In der entsprechenden Echo-Kategorie kommt es dennoch nicht vor: Eine Recherche des Nachrichtenmagazins Bunte will ergeben haben, dass neuerdings nur noch Platten mitmachen dürfen, die nicht älter als zwei Jahre sind – eine „Lex Fischer“, wegen der die Anhänger der Künstlerin bereits die Seriosität der gesamten Verleihung in Frage stellen.
Nun eignet auch anderen Nominierungen ein Zug ins Rätselhafte. Warum die aus Südtirol kommende Band Freiwild in der Kategorie „Rock National“ antritt, während die aus Österreich kommenden Bands Wanda und Bilderbuch als „Newcomer International“ konkurrieren, will sich auch nicht sofort erschließen. Vielleicht könnten die Echo-Veranstalter ihre Version der deutschen Nation (Südtirol drin, Österreich draußen, wie steht es um Eupen-Malmedy und das Egerland?) mit einer Landkarte klären? „Deutschland in den Grenzen von Echo“! Vielleicht kann aber auch Xavier Naidoo weiterhelfen, der mit „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert, Vol.2“ für das „Album des Jahres“ nominiert ist. Denn Naidoo erläutert seiner Hörerschaft gern, warum es die deutsche Nation in Wirklichkeit gar nicht gibt: weil Deutschland „keinen Friedensvertrag“ hat und „dementsprechend auch kein echtes Land“ ist. National? International? Ihm ist es egal: Im nächsten Jahr gehen Freiwild und er am besten gleich um den Reichsbürger-Echo ins Rennen.
Jens BalzerBLZ