Dass es Frühling wird, merkt man an den Krokussen im Garten, beim Blick auf den Kalender – oder aber, wenn Heidi Klum beim “großen Umstyling” von “Germany’s Next Topmodel” wieder junge Frauen zum Weinen bringt. Doch weil sie das ja angeblich gar nicht will, gerät der Donnerstagabend bei ProSieben zum wohl größten Kollateralschaden der TV-Geschichte.
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.
Klaas Heufer-Umlauf hat in seinem TV-Leben schon so einiges mitgemacht. Für seine Show “Das Duell um die Welt” hat er sich einen Bagel in die Stirn injizieren lassen. Auf Vanuatu hat er als Hobbit verkleidet einen Ring in einen Vulkan geworfen und sich auf den Bahamas von einem Hai beißen lassen. Und das waren noch die am wenigsten absurden Aufgaben. Am Donnerstagabend sollte Heufer-Umlauf nun eine ganz neue Dimension von Absurdität kennenlernen: die Umstyling-Folge von “Germany’s Next Topmodel”.
Ja, Klaas Heufer-Umlauf geht eben gerne dorthin, wo’s wehtut. Aber was ist noch einmal kurz die Umstyling-Folge? “Das ist, glaube ich, so die Iconic-Folge von GNTM.” Ah, danke, Kandidatin Laura. Noch wer? “Es ist immer die beste Folge. Es ist immer mit vielen Emotionen verbunden”, sehr schön, gut aufgepasst, Eva. Eine letzte Wortmeldung noch? “Jetzt ist endlich der Tag der Tage gekommen!” Nein, Lisa, das ist ein bisschen drüber. Die Umstyling-Folge ist nicht der Tag der Tage, es ist einfach ein riesiger, inszenierter TV-Zirkus, bei dem die Klum mit Tränen Quote macht. Doch der Reihe nach.
Die Models mit den kleinen Herzen
“In München startet im Modelhaus eine neue Woche”, beginnt Heidi Klum, als würde nur im Münchener Modelhaus eine neue Woche starten. “Die Stimmung könnte nicht ausgelassener sein – noch”, fährt Klum aus dem Off fort und setzt damit einen ersten Spannungsanker. Damit aber erst gar keine Verwirrung aufkommt, bei wem die Stimmung bald weniger ausgelassen ist, wendet sich Klum per Videobotschaft an die Models: “Ich weiß, gleich werden eure kleinen Herzen vor Aufregung viel höher schlagen”, erklärt Klum und lässt damit keinen Zweifel, wer hier die Grande Dame ist und wer die kleinen Models sind.
Also lauschen die kleinen Models mit ihren noch kleineren Modelherzen, wem die große Klum eine neue Zwangsfrisur verpassen wird. Denn nicht für alle Models gibt es einen Haarschnitt auf ProSiebens Deckel, nur für die, bei denen Klum Verbesserungspotential sieht – egal, ob die Models das wollen oder nicht. Und so sammelt der Kameramann schon einmal fleißig O-Töne, wer denn vor welcher Frisur am meisten Angst hat.
Josy hat Angst vor schwarzen oder braunen Haaren, Natalie vor “einem schwarzen Kurzhaarschnitt”, Katharina generell vor einem Schnitt, Safia vor etwas “Schlimmem”, Jule vor jeder Farbe, die dunkler ist als blond und Magdalena vor einem “weißblonden Vokuhila” – eine Frisur, vor der jeder Angst haben sollte. Es gibt also sehr viele Ängste. Konzentrieren wir uns aus Gründen aber am besten auf Zoe, die am meisten Angst davor hat, so kurze Haare wie ihr Bruder zu bekommen.
Was Heidi Klum sieht, aber nicht sehen möchte
“In diesen Umstyling-Raum zu kommen, ist gar nicht so lustig. In dem Moment will man eigentlich nur im Boden versinken, weil man sich noch so Sorgen macht, was jetzt passiert”, erklärt Kandidatin Daniela, als die Damen in den fensterlosen Massenumstylingraum einlaufen. Dabei hätte sich das Nachwuchsmodel mit dem kleinen Herzen ihre großen Sorgen sparen können, denn Heidi Klum will den Models doch nichts Böses, im Gegenteil: “Das Umstyling gehört wirklich zu meinen schönsten Momenten der Staffel. Natürlich nicht, weil ich meine Models leiden sehen möchte.”
Natürlich nicht. Wenn wir etwas in den vergangenen 19 Staffeln gelernt haben, dann, dass Leid und Tränen das Letzte sind, was Klum bei ihren Models sehen möchte. Deswegen dürfen die Models auch völlig ohne Angst vor einem Rauswurf entscheiden, ob sie sich die Haare schneiden lassen wollen oder nicht. Deswegen dürfen sie in jedem Fall auch ihre Frisur selbst bestimmen oder zumindest dabei zusehen, was die Frisörin da auf ihrem Kopf macht. Deswegen wird das ganze Umstyling auch überhaupt nicht dramatisch inszeniert. Und deshalb wird auch nicht auf jede Träne draufgehalten, die da aus den kleinen Modelaugen fließt.
Vor allem aber spielt Heidi Klum auch nicht mit den Ängsten der Models und daher muss das einfach ein Missverständnis sein, als Klum mit einer Schere um die angsterfüllte Zoe herumhüpft und Frisörin Wendy ihre Mithilfe anbietet: “Natürlich freu’ ich mich, wenn ich hier und da auch mal selbst Hand anlegen darf.” Und Zoe dankt Klum so viel Rücksichtnahme auf ihre Ängste mit den passenden Worten für die Kamera: “Ich sitz mit einem sehr angespannten Gefühl bei Wendy. Ich hab schon ganz, ganz dolle Schiss.” Und schon fließen die Tränen und man möchte nicht wissen, wie es aussieht, wenn Klum jemanden leiden sehen möchte.
Klaas Heufer-Umlauf greift zur Schere
Irgendwann scheint sich das Model aber in ihr Schicksal zu fügen: “Irgendwer kriegt ja immer kurze Haare”, gibt Zoe zu Protokoll und lässt Zweifel aufkommen, ob es wirklich nur darum geht, mit einem Umstyling das Beste aus den Models heraus zu holen, wie die Klum behauptet. Aber Klum lässt sich davon nicht beirren: “Wenn nicht jetzt, wann dann?”, macht Klum Zoe Mut zur Veränderung. Eben. Wenn es für so einen tränenreichen Haarschnitt einen perfekten Ort gibt, dann ja wohl “Germany’s Next Topmodel”. Also, perfekt für Klum, nicht für Zoe.
Und weil vielleicht noch der allerletzte Beweis fehlt, dass Klum ihre Models wirklich nicht leiden sehen will, kommt nun endlich Klaas Heufer-Umlauf vorbei. “Ich hab das gelernt drei Jahre, also die komplette Ausbildung, und dann hab ich das nie wieder gemacht”, erklärt Heufer-Umlauf Magdalena, bevor er zur Schere greift. Und während Klum feixend daneben sitzt, macht Heufer-Umlauf weiter mit der Verunsicherung des Models: “Damenhaarschnitte konnte ich nie so richtig supergut”, gesteht der gelernte Frisör und schiebt ein “Ich mach das mal ein bisschen gröber, weil wir Zeitdruck haben” hinterher, als er Magdalena die ersten Haare abschneidet.
Am Ende geben sich Zoe und Magdalena wirklich die größte Mühe, sich noch kurz zusammenzureißen, als Klum ihnen ihre neuen Kurzhaarfrisuren zeigt. Erst zurück im Modelhaus sinken die Models zusammen. Zoe versteckt ihre Haare unter einer Kapuze, Magdalena ist mit ihrer neuen Frisur ebenfalls todunglücklich: “Ich fühl’ mich wie so eine Baby-Born-Puppe. Ich bin nicht nur Model und ich bin nicht nur vor der Kamera. Wenn ich meinem Freund beim Spielen zugucke und dann alle Mädels sitzen mit schönen langen Haaren und ich komm mit so etwas. Dann guckt mich jeder an und es ist mir peinlich und ich fühl mich nicht wohl!”
Die Show ist eben Teil der Show
Klum zeigt Verständnis, dass die Veränderung ungewohnt für Zoe und Magdalena ist, verheddert sich dann aber in ihrer Argumentation. “Aber sie wissen, dass das Umstyling nun mal ein großer Teil von ‘Germany‘s Next Topmodel’ ist”, erklärt Klum und es ist auffällig, dass sie sagt, es sei ein großer Teil der Show und nicht der Modelausbildung.

Denn darauf kommt es Klum ja angeblich an. Da fragt man sich zwangsläufig, ob sich die Klum nach der Umstyling-Folge vor dem Schlafengehen die Bilder der heulenden Models noch einmal anguckt und stolz auf ihr Tagewerk ist.
Aber da die Show ja bekanntlich weitergehen muss, wartet am nächsten Tag schon Peter Dundas auf die Models – und der Designer hat an diesem Tag drei Aufgaben. Er muss erstens ausführlich erzählen, welchen Promis er schon alles die Klamotten rausgelegt hat. Er muss zweitens dasselbe nun für Klums Nicht-Promis machen. Und er muss drittens den Models mit den Zwangshaarschnitten so lange erzählen, dass ihre neuen Frisen toll aussehen, bis die es selbst glauben. Am Ende erledigt Dundas alle Aufgaben mit Bravour und hilft der Klum sogar noch dabei, Natali, Valeria, Stella und Lucia kein Foto zu geben. Die finden das natürlich nicht so toll, aber wenigstens mussten sie nicht leiden.