stern-Chefredakteur Promis wie Helene Fischer äußerten sich gegen rechts – wer so viele begeistert, kann auch viele verärgern

Chefredakteur Gregor Peter Schmitz schreibt über die Rückmeldungen auf den stern-Titel “Nicht mit uns”. Prominente wie Helene Fischer positionierten sich in der letzten Ausgabe klar gegen rechts. Dafür gab es Lob – aber auch Gegenwind.
In unserer vorigen Ausgabe haben sich etliche Prominente, von Helene Fischer über Udo Lindenberg bis zum Volkswagen-Chef, gegen Extremismus in der Politik ausgesprochen. Die Sängerin schrieb etwa: “Wir müssen unsere Werte und unsere Demokratie jetzt verteidigen und dürfen das Feld nicht den Antidemokraten überlassen … Tut das Richtige, geht zur Wahl! Für die Demokratie und gegen die Extremisten.” Dieser Aufruf hat viel Aufmerksamkeit gefunden, Fischer und Co. ernteten Lob und Zuspruch. Bisweilen war aber zu hören, sie könnten sich ja leicht so offen äußern, sie hätten genug Geld und Fans, kurzum: Sie riskierten nichts.
Aber stimmt das? Ich möchte ein paar Einträge auf dem Instagram-Profil der Sängerin zitieren, wo Fischer den stern-Titel gepostet hatte. Als “System-Marionette” wurde sie dort bezeichnet. “Wie viel hast Du kassiert für die Aussage?”, fragten Instagram-Nutzer sie oder schrieben: “Unfassbar, dass Du Dich auf die Seite einer Regierung stellst, die dieses Land und sein Volk verachtet und alles gegen die Wand fährt.”

Der X (vormals Twitter)-Nutzer Levi Krasnitz (Profil-Beschreibung: nationalliberal, für mehr Demokratie, für Kunststoff, Kernkraft und Tempofreiheit auf d. Autobahnen, gegen EU & Euro, gegen Nazis & Sozialisten, gegen ARD & ZDF) schrieb so offen wie drohend: “Die Millionäre wollen es bunt? Sie kriegen es bunt. Nachts am Alexanderplatz. Frankfurter Bahnhofsviertel.” Krasnitz verlinkte zudem zu einer Kachel mit diesem Inhalt: “Promis, die sich für Buntheit aussprechen, sollten aus ihren luxuriösen Wohnungen, Häusern und Hotels ausziehen und nach Marxloh oder Neukölln umgesiedelt werden. Ihnen zuliebe. Sie wollen es ja bunt.” Der AfD-Landtagsabgeordnete Miguel Klauß postete auf Facebook: “Egal ob Corona Maßnahmen, Impfung oder Kampf gegen rechts. Promis kann man buchen. Stellen Sie sich auf die Regierungsseite, gibt’s auch wieder Aufträge vom öffentlichen Rundfunk. Helene will ja ihre Weihnachtsshow behalten. So funktioniert das System. Zeit es zu beenden. #AfD wählen.” Daneben hatte Klauß das stern-Titelbild gepostet, allerdings verfälscht. Den Satz “Nicht mit uns” ersetzte er durch “Uns kann man mieten”.
Nicht denken, eine Demo oder ein Titelbild seien genug
Klar, Helene Fischer wird nicht verarmen, weil sie Haltung zeigt, genauso wenig wie die anderen Menschen auf unserem Cover. Aber sie gehört zu jenen Künstlerinnen, in deren Publikum sich viele Denkrichtungen finden. Wer so viele begeistert, kann auch viele verärgern. Der Autor und Moderator Micky Beisenherz nannte Fischers Appell “zunächst einmal: geschäftsschädigend engagiert”. Das könne man doch auch einfach erst mal anerkennen.
Der Satz, der mir als Reaktion in den sozialen Netzwerken am häufigsten auffiel, lautete: Wartet mal ab, was in der Wahlkabine passieren wird. Ich verstehe solche Sätze eher als eine Aufforderung: nicht nachzulassen im Bemühen zu zeigen, wie wenige Lösungen Populisten anbieten – so lange, bis wir uns um sie in der Wahlkabine nicht mehr sorgen müssen.
Natürlich wird die breite Unterstützung für Extremisten nicht verschwinden, weil ein paar Wochen lang Menschen auf die Straße gehen. Erste Rückgänge in den Umfragewerten für die AfD sollten wir nicht überbewerten. Aber wenn große Teile der Bevölkerung gegen die angebliche Stimme des Volkes protestierten, analysiert der Politikberater Johannes Hillje in der “Taz”, bringe dies die “Alternative für Deutschland” in Erklärungsnot, denn: “Die Erzählung der AfD, man vertrete eine schweigende Mehrheit, bekommt Risse.”
Und es gibt Erfahrungen, denn die AfD ist ja nicht über Nacht passiert. Als der Anschlag von Hanau 2020 für Entsetzen und Empörung sorgte, sank auch die Zustimmung für die Partei. Sie stieg zwar wieder, aber es dauerte. Vielleicht ist das der größte Ansporn: nicht erneut nachzulassen, nicht zu denken, eine Demo oder ein Titelbild seien genug. Sondern sich einzusetzen für unsere Demokratie. Wir sind die Brandmauer, wie es zuerst im stern hieß. Das ist das wirksamste Mittel gegen alle, die gegen diese Demokratie agieren.
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Diese Woche widmet sich der stern in seiner Titelgeschichte Wegen aus der Erschöpfung.

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Wie Jürgen Klopp fühlen sich viele Deutsche: ausgelaugt. Wie Sie Alarmzeichen im Alltag erkennen und wieder zu sich finden, lesen Sie hier.